Cineventure

Ein Thema, zwei Filme. Plus Meinung & Empfehlungen.

Wenn aus Falten Rache fließt: Taken

Eine ganz unverhoffte Perle des europäischen Action-Kinos. „Taken“, im deutschen Kino lief er unter dem Titel „96 Hours“. Ist in erster Linie ein französischer Film. Das muss betont werden, weil der Streifen von 2008 ganz breitschultrig wie eine yet-another US-Produktion daherkommt. Der Film, nach der Idee von Starregisseur und Mastermind Luc Besson, riecht, schmeckt und fühlt sich an wie Hollywood. Denkste!

Der Plot in einem Satz: Die Tochter von Ex-US-Geheimdienstler Bryan Mills wird auf einem Städtetrip in Paris gekidnappt, verschleppt von albanischen Mädchenhändlern und Mills beginnt seinen barschen Zug der Selbstjustiz, sie aus den Klauen der Entführer zu retten.

„Geriaction“: Alte Herren hauen auf den Putz

Liam Neeson hat sich seine Lorbeeren hinreichend verdient („Schindler’s List„, „Michael Collins„, „Star Wars: Episode I – The Phantom Menace„). Er spielt die Rolle mit Bravour. Schon das Gesicht verrät die Devise unseres Helden: Erst schießen, dann fragen. Sieht man ihn an, weiß man nicht recht, ob Falte oder Narbe. Und weil der Streifen nicht beansprucht, ein moralphilosophisches Filmessay über das Für und Wider von Selbstjustiz zu sein, der mickrige Plot lässt da keinen Raum für Doppeldeutigkeiten, hat der enragierte Papa alle Zeit, sich wie Pacman von der Tarantel gestochen knochenbrechend durch den Großraum Paris zu raufen. Dem Film steht „vorhersehbar“ mit Edding auf die Stirn geschrieben. Macht aber nichts. Hier gilt: Der Weg ist das Ziel. Und Liam Neeson ist ein verdammt guter Weggefährte.

Sicher, „Taken„, schmiegt sich ganz eng an die Genre-Vorgaben an. In Hollywood weht dieser Tage ein Lüftchen, ein Sub-Genre mit dem schmeichlerischen Titel geriaction hat Konjunktur. Unter diesem Begriff sind allerhand mehr oder weniger gelungene Filme zusammengefasst, in denen alte Herren auf den Putz hauen. Das fing aber nicht etwa erst mit den „Expandables“ oder Tarantinos „Death Proof“ an und ist auch gar nicht so sehr an die Gattung Action gebunden. Jedes Genre hat seine alten Haudegen. Und Kampfhennen! Charles Bronson war auch keine 30 mehr, als er 1974 als Vigilant in Michael Winners „Death Wish“ für Aufregung sorgte. Und die bejahrten Pistoleros in Sam Peckinpahs Spätwerk „The Wild Bunch“ (1969) trugen neben ihren glänzenden Colts allesamt auch wunderbar glänzende Gebisse.

Merci, Luc!

Luc Besson, der „Taken“, samt der beiden immer minder relevanten Fortsetzungen, eine vierte folgt, erdacht und produziert hat, hat wieder und wieder unter Beweis gestellt, wie anschlussfähig europäische Produktionen für ein großes Publikum sind. Mit dem französischen Action-Thriller „Nikita“ hat er 1990 die Femme Fatale nach Hause geholt, mit „Léon – Der Profi“ hat er 1994 mal eben das Auftragskiller-Genre revolutioniert. Immer eiskalt und cool und romantisch und gefühlvoll zugleich. Mit „Das fünfte Element“ (1997), spätestens aber mit der „Taxi“-Quadrologie (ab 1998) und schließlich den „Transporter“-Filmen (ab 2002), hat er Hollywood gezeigt, wo’s langgeht – und das, ohne sich stilistisch völlig zu unterwerfen. Er hat es verstanden, seinen Namen zur Marke und zum Merkmal von Qualität zu machen.

Wo Besson draufsteht ist auch Besson drin. Und würde nicht sein Name neben Neesons das Filmplakat zieren, ich würde es als kontingenten Glücksfall abtun, dass im Verlauf des Films immer wieder Belmondo, Ventura, Delon (wie es auch dem epd-Rezensenten aufgefallen ist) durchschimmern. Danke dafür, Luc!


Felix‘ 3 Picks

Für die Kategorie Entführung/Geiselnahme hat Felix „Key Largo“ ausgewählt. Sandra hat darüber gebloggt.

Was Felix noch im Ärmel hatte:

Felix

Als Student und Journalist lebt Felix in Frankfurt am Main – eine Stadt, die sein Herz sehr hoch schlagen lässt. Als Cineast hält er es mit Tucholskys Bonmot: „Ein Film – was kann das schon sein, wenn es die Zensur überlebt hat?“

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