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Sport ist Mord: Concussion

Man darf vor Peter Landesman den Hut ziehen. Der Regisseur hat es 2015 fertiggebracht, einen Film, bis unter die Zähne bewaffnet, nicht gar ohne Schnörkel und Zierrat, und hochgerüstet in einen Kampf gegen Windmühlen zu schicken. „Concussion“ heißt sein mutiges, unerschrockenes und nicht zuletzt schönes Werk der Sorte „basierend auf einer wahren Geschichte“. „Concussion“ heißt der David und der Goliath ist nichts geringer als die Religion von Hunderten Millionen US-Amerikanern: der Football, genauer, die NFL höchstselbst.

Will Smith schlüpft für rund 120 Minuten in die Rolle des Forensikers und Neurologen Dr. Bennet Omalu. Omalus Wurzeln liegen in Nigeria, seine Zukunft in den Vereinigten Staaten. Doch bis dahin ist der Weg steil und steinig. Erst recht jener des „echten“ Bennet Omalu. Der Plot in einem Satz: Unser Arzt findet bei Post-Mortem-Untersuchungen zweier gleichermaßen verdienter wie ausgedienter Football-Größen ungeheuer ruinös geschädigte Gehirne und folgert: Football hat mit ihren Köpfen angerichtet, was sonst bloß der Nahkampf mit einem Tanklaster zur Folge hätte. Die NFL ist in den entscheidenden Fragen, surprise, entscheidungsmächtiger als selbst die US-Regierung und Omalu wird nach Strich und Faden mundtot gemacht.

Amerika, deine Helden!

Von den gängigen anabolen Steroiden mal ganz zu schweigen, rennen sich da also diese modernen Gladiatoren zur Volksbelustigung, sicher für saftige Gehälter, auf den Football-Feldern die Schädel ein und laufen Gefahr, unheilbare neurophysiologische Schäden aus dem Spiel davonzutragen, die mit derart drastischen Symptomen einhergehen, dass sie selbst den gestandensten Super-Bowl-Hünen wie ein Häufchen Elend in den Freitod treiben – und niemand schert sich drum. Amerika, deine Helden! Die Profikarriere beginnt übrigens in der Regel bereits im Kindesalter.

In der Inszenierung von Omalus verbissenem Kampf, im Zeichen von Prävention und Aufklärung Gehör zu finden, gelingt den Machern eine ungleich dichte und bange Atmosphäre, immer auf einer Klippe zur Utopie, immer fast aller Hoffnung bar. Klar, so ein Film schmerzt. Gut so! Dass Omalus Feldzug für Medizin und Wissenschaft so fesselt, ist zuerst der geschickten Dramaturgie zu verdanken, die wahre Geschichte, hier in kompakten zwei Stunden erzählt, zog sich über mehrere Jahrzehnte hin. Zudem: Die darstellerische Leistung von Mainact Will Smith und Sidekick Alec Baldwin ist nichts minder als großartig. Von Baldwin, er mimt einen Sportarzt, der sich mit der Zeit auf Omalus Seite schlägt, ist man das erfreulicherweise gewohnt. Will Smith überrascht.

Ein mit einiger Finesse und Detailliebe fotografiertes, politisches US-Drama also, nach einer wahren Begebenheit, mit dem hehren Anspruch, eine gesellschaftliche Debatte über die Korrelation von Football und Hirnschäden zu initiieren – Hut ab.


Felix‘ 3 Picks

Für die Kategorie Biopic (außer Musik) hat Felix „Donnie Brasco“ ins Rennen geschickt. Sandras Text zu dem Mafia-Streifen lest Ihr hier.

Was Felix noch im Ärmel hatte:

Felix

Als Student und Journalist lebt Felix in Frankfurt am Main – eine Stadt, die sein Herz sehr hoch schlagen lässt. Als Cineast hält er es mit Tucholskys Bonmot: „Ein Film – was kann das schon sein, wenn es die Zensur überlebt hat?“

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