Cineventure

Ein Thema, zwei Filme. Plus Meinung & Empfehlungen.

Die Slacker-Kur: About a Boy

    „Das glücklichste Los ist die
    Entbindung vom Tun und Lassen“
    – Arthur Schopenhauer

Die Brüder Weitz, denen wir „American Pie“ (1999) verdanken, haben sich 2002 an die Verfilmung von Nick Hornbys „About A Boy“ gemacht. Beteiligt war die Produktionsfirma Working Title („Notting Hill“, „Bridget Jones“). Hugh Grant spielt die Hauptrolle. Die Zeichen standen also schlecht. Auf den ersten Blick war Toni Collette in einer kleineren Rolle mein großer Lichtblick, denn ich hatte ehrlich gesagt fest damit gerechnet, dass das 100 qualvolle Minuten werden würden. Meine düstere Vorahnung musste ich dann tatsächlich revidieren.

Kurz zum Plot: Will Freeman hat alles. Und doch nichts. Mit Ende dreißig lebt er von den Tantiemen, die ein Weihnachtssong, den sein Vater einst geschrieben hat, Jahr um Jahr erwirtschaftet. Mondäne Bude, schniekes Vehikel und ein pausenloses Kommen und Gehen seichter Affären. Seine Neider nennen es Savoir-vivre. Will Freeman wird sein Lifestyle langsam lästig. Dann lernt er den zwölfjährigen Marcus Brewer kennen.

Gebunden ans Unverbindliche

Ganz mit links, so wirkt es, spielt Hugh Grant diesen Anti-Helden, ein schier unbeschriebenes Blatt, einen charakterlosen und völlig uninteressanten Kerl. Ohne Ecken und Kanten, ohne Verpflichtungen geht er wie ein Sozialzombie durchs Leben. Mit seiner jüngsten Finesse, um seinem Dasein mittelfristig wieder etwas Pfiff beizubringen, macht er sich nach Singlemüttern auf die Pirsch. Alleinerziehende Frauen, so Freemans These, haben in ihrem Leben schon die herbste aller möglichen Enttäuschungen hinter sich, sind also nicht böse, wenn sie wieder sitzengelassen werden. Außerdem suchen sie die Schuld am Scheitern einer „Beziehung“ – für Freeman ohnehin nie mehr als eine Tändelei –  aus freien Stücken bei sich selbst.

Trotz allem: Will Freeman ist kein Mistkerl. Sogar der hätte mehr Persönlichkeit. Freeman ist einfach ein menschlicher Platzhalter, eine leere Metapher. Und dann kommt Marcus – schüchtern, nur wenige Minuten vor der Pubertät. Auf dem Schulhof meiden ihn die Uncoolen, von den Coolen kriegt er auf die Mütze. Seine Mutter, alleinerziehend, Öko bis in die Zehenspitzen, steckt knietief in Depressionen, versucht sich schließlich, das Leben zu nehmen und scheitert. Toni Colletti brilliert in der Rolle.

Synchrones Coming-of-Age

Die Paarung von Will und Marcus könnte kaum widersinniger sein. Der Film erzählt vignettenartig und einfühlsam, wie die beiden Figuren aneinander wachsen. Und man weiß oft nicht: Wessen Coming-of-Age bezeugt man da überhaupt?

Will lernt, dass Nichtstun, als Ergänzung zu Schopenhauers Bonmot, auch nur Spaß macht, wenn man eigentlich was zu tun hätte. Plötzlich gibt es jemanden in seinem Leben, der zu ihm aufschaut, ihm zuhört und sich wirklich für seine Person interessiert. Ehe er sich versieht obliegt ihm eine Verantwortung für seinen neugewonnenen Freund. Das erdet ihn und gibt ihm ein Ticket zurück in ein Leben mit einem Sinn. Gleichsam gewinnt Marcus durch die Bekanntschaft wieder Anschluss ans soziale Leben. Er findet in Will so etwas wie eine Vaterfigur. Wills Selbstsicherheit imponiert ihm und färbt auf ihn ab. Er kommt zu dem wichtigen Schluss, dass nicht er die Verantwortung für seine Mutter trägt und auch nicht tragen kann, zumindest solange er nicht mit sich selbst im Reinen ist. Und er kann bei Will endlich mal ein bisschen Kind sein, was er ja noch ist, während Will für ihn endlich mal ein bisschen erwachsen sein, was er ja auch ist.

„Niemand ist eine Insel“

„About a Boy“ ist in vielerlei Hinsicht eine leichtfüßige Komödie über die Kehrseiten des gesellschaftlichen Funktionierens. Der ganze Themenkomplex, den der Film damit anrührt, bleibt recht oberflächlich behandelt und das steht dem Streifen auch gut zu Gesicht.

Die Macher überheben sich nicht etwa mit dem Anspruch, kritisch das soziale Rollengefüge zu sezieren. Letztlich ist ja auch das Mantra, worum sich alle Handlungsstränge spinnen, ein Aufruf zur Gelassenheit. Alles wird gut. Bloß nicht immer auf eigene Faust. Man muss auch zulassen können, auf andere angewiesen zu sein und deren Hilfe anzunehmen. Das gibt es hier zu lernen.

Felix‘ 3 Picks

Wir haben Filme rausgesucht die das beliebte Konzept des ungleichen Paars ausschlachten. Die gibt es wie Sand am Meer, nicht alle sind gelungen. Felix hat sich für „African Queen“ mit Humphrey Bogart und Katherine Hepburn entschieden, Sandra bloggt darüber.

Ansonsten empfiehlt Felix folgende „Odd Couple“-Filme:

Felix

Als Student und Journalist lebt Felix in Frankfurt am Main – eine Stadt, die sein Herz sehr hoch schlagen lässt. Als Cineast hält er es mit Tucholskys Bonmot: „Ein Film – was kann das schon sein, wenn es die Zensur überlebt hat?“

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